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Goretzka
"Ohne Fußball wahrscheinlich Anwalt geworden"

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Goretzka: "Ohne Fußball wahrscheinlich Anwalt geworden"
Foto: Firo

Das Jahr 2016 war für Schalkes Leon Goretzka besonders. Olympia-Teilnahme, Rückkehr in das DFB-Team, Papst-Besuch – mehr ging nicht. Im Interview blickt Goretzka auf das Jahr zurück.

Zudem richtet der 21-jährige Mittelfeldspieler den Blick auch nach vorne. Was ist mit Schalke noch drin? Wird das Team stärker? Kann er sich eine vorzeitige Vertragsverlängerung vorstellen?

Herr Goretzka, wie fällt Ihr Fazit der vergangenen zwölf Monate aus? Leon Goretzka: Alles in allem war es ein sehr positives Jahr. Bei Olympia war es natürlich sehr schade, dass ich mich an der Schulter verletzt habe und das Turnier früh verlassen musste. Trotzdem war es ein Erlebnis für mich. Im Endeffekt habe ich auch die Silbermedaille mitgewonnen. Auch wenn wir mit Schalke als Team in der Rückrunde natürlich noch unbedingt einige Plätze aufholen wollen, läuft es bei mir individuell auch da eigentlich ganz gut. Deswegen kann ich insgesamt ganz zufrieden sein.

Neben Olympia und Schalke gab es noch die Rückkehr in die A-Nationalelf… Klar, es ist auch schön, wieder dazu zu gehören. So wie ein Comeback hat es sich eigentlich nicht angefühlt, eher wie ein Neuanfang. Ich habe mich sehr darüber gefreut, wieder dabei zu sein.

Mit der kompletten Nationalelf waren Sie im Rahmen des Italien-Länderspiels zu Besuch beim Papst. Was das außersportlich der beeindruckendste Moment des Jahres 2016? Ja, daran sieht man mal wieder, was einem der Fußball manchmal für Türen öffnet. Da ist meine Oma fast in Ohnmacht gefallen, als sie das gehört hat und das Foto vom Papst und mir gesehen hat. Wenn man jetzt das private Fazit zieht, kann man mit Sicherheit sagen, dass der Papst-Besuch zu den außergewöhnlichen Momenten gehört hat.

Wie ist das Gefühl, dem Papst gegenüber zu treten und ihm die Hand zu schütteln? Erhebend? Oder spürt man eher weiche Knie? Letzteres. Man hat schon darauf geachtet, dass man keine Bewegung macht, die jetzt irgendwie da nicht hingehört. Das kannte ich gar nicht mehr so. Mittlerweile ist man ja auch relativ souverän in eigentlich allen Lebenssituationen. Da hat man schon ein bisschen weiche Knie bekommen. Wobei das wahrscheinlich gar nicht notwendig war, weil ich glaube, wenn in dem Raum etwas Unangebrachtes oder Peinliches passiert wäre, dann hätte es diesen Raum auch nie verlassen. Trotzdem wollte man sich vernünftig benehmen und Respekt zeigen.

Ich bin ein Bochumer Junge, bin dort aufgewachsen, habe weit über zehn Jahre da gespielt und bin immer noch VfL-Fan

Leon Goretzka

Sie sind mit 21 Jahren Stammspieler in der Bundesliga, haben eine große Karriere in der Nationalmannschaft vor sich. Kneifen Sie sich manchmal, um diesen Riesentraum zu realisieren? Natürlich ist das ein Riesentraum. Wenn man sich das vor Augen führt, kann man es nur jedem Menschen wünschen, dass er sein Hobby zum Beruf machen kann. Ich habe auch viele Spieler erlebt, die den Sprung zu den Profis leider nicht geschafft haben. Es sind ja die wenigsten, die das schaffen. Es ist nicht leicht für die Jungs, das zu akzeptieren. Wenn man dann überlegt, was man selbst geschafft hat, muss man sich das nochmal vor Augen führen und sagen: Hey, du musst alles dafür tun, damit das bleibt und damit du das Maximum herausholst. Sonst wäre es irgendwo unfair den anderen gegenüber.

Haben Sie mal gedanklich durchgespielt, was Sie beruflich machen würden, wenn Sie kein Profi geworden wären? Meine Freunde sagen immer, ich wäre Anwalt geworden. Ich weiß nicht, ob ich mich zu hundert Prozent damit identifizieren kann. Aber sie spielen darauf an, dass ich ganz gerne diskutiere.

Sind Sie ein bisschen Gerechtigkeitsfanatiker? (lacht) Klar, wenn mich jemand fragt, ob ich für Gerechtigkeit bin, werde ich mit Sicherheit Ja sagen.

Wie stark sind Sie mit Schalke verwurzelt? Ich bin ein Bochumer Junge, bin dort aufgewachsen, habe weit über zehn Jahre da gespielt und bin immer noch VfL-Fan. Alles andere wäre nicht fair, auch den Schalke-Fans gegenüber, wenn ich mich hinsetze und sage: Ich finde Schalke hundert Mal geiler als Bochum. Aber ich merke von Jahr zu Jahr, dass sich mit den ganzen tollen Momenten, die wir hier auf Schalke mit unseren Fans erleben, etwas Extremes entwickelt. Ich fühle mich hier superwohl und bin definitiv auch Fan von Schalke. Jetzt wird natürlich der eine oder andere sagen, das geht nicht beides. Aber ich glaube, dass es geht. Schalke ist ein Verein, der einen von Anfang an in den Bann gezogen hat. Wenn man überlegt, was hier Woche für Woche in der Arena abgeht, das ist schon krass. Mittlerweile kann man echt sagen, dass ich hier enge Verbindung zum Verein aufgebaut habe.

Spüren Sie den Drang, in Ihrer Karriere mal etwas anderes kennen zu lernen? England zum Beispiel? Ich mache nicht den Fehler, jetzt zu sagen, dass ich das nie machen würde. Aber ich fühle mich sehr, sehr wohl auf Schalke. Grundsätzlich würde ich mich eher als familiären Typen einschätzen. Ich wohne auch noch zuhause. Ich bin ein Typ, der sein gewohntes Umfeld braucht. Ich bin auch erst 21 Jahre alt.

Wenn Sie Berichte lesen, dass Juventus Turin Sie angeblich beobachten lässt, schmunzeln Sie darüber? Ich kenne das noch aus Bochumer Zeit. Da gab es fast jeden Tag einen anderen Verein, der an mir interessiert gewesen sein soll. Ich habe mich darüber amüsiert. So lange das nur in der Zeitung steht, ist das egal. Reine Spekulation.

Leon Goretzka (rechts) im Gespräch mit unserem Reporter Thomas Tartemann.

Würden Sie eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Schalke in Erwägung ziehen? Ich könnte mir früher oder später vorstellen, dass Schalke auf mich zukommt und dass wir uns dann zusammensetzen.

Haben Sie mal durchgespielt, was in der Europa League, in der PAOK Saloniki als Gegner in der K.o.-Phase wartet, möglich ist? Um ehrlich zu sein, habe ich es letztes Jahr durchgespielt. Das war nicht so toll. Da sind wir gegen Donezk ausgeschieden. Wenn man es sich vor Augen führt, ist es ein extrem langer Weg mit dem Sechzehntelfinale und den Runden, die dann noch kommen könnten. Natürlich wollen wir so weit wie möglich kommen. Wenn es dann später ans Eingemachte gehen sollte, sind auch noch viele extrem attraktive Vereine als Gegner möglich. Da wollen wir möglichst dabei sein.

Schalke überwintert in der Bundesliga auf einem Mittelfeldplatz. Ist es in der zweiten Halbserie noch zu schaffen, in die Spitzengruppe vorzustoßen? Es wird extrem schwer, aber wenn alles passt, glaube ich schon. Wir werden es auf jeden Fall mit allem, was wir haben, versuchen.

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